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Risiken und Chancen von digitalen Medien für die Sprachentwicklung von Kindern

Kinder lernen von den Großen – das gilt sowohl für die Sprachentwicklung als auch für den Umgang mit digitalen Medien. Ein australisches Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Mary Brushe von der University of Adelaide warnt jedoch davor, dass Kleinkinder wichtige Gesprächsmomente verpassen, wenn sie zu viel Zeit vor Bildschirmen verbringen.

Während sie digitale Medien wie Smartphones oder Tablets nutzen, hören sie weniger Wörter von Erwachsenen, interagieren seltener mit ihnen und nehmen nur begrenzt Gesprächsabläufe wahr. Das klingt plausibel, birgt jedoch in unserer zunehmend digitalen Welt ein erhebliches Risiko.

In diesem Blogartikel erfährst du, welche Chancen und Risiken digitale Medien für die Sprachentwicklung von Kindern mit sich bringen und worauf du in der Kita im Rahmen der digitalen Medienbildung besonders achten solltest, um digitale Medien gezielt für die Sprachförderung einzusetzen.

Kinder erhalten weniger sprachliche Anregungen

Kinder benötigen ein sprachlich anregendes Umfeld, um ihre sprachlichen Fähigkeiten optimal zu entwickeln. Dieses bereichernde Umfeld sollten sie sowohl zu Hause als auch in der Kita erleben. Ist ein solches sprachanregendes Umfeld – aus welchen Gründen auch immer – nicht vorhanden, kann die Sprachentwicklung verlangsamt werden, und Kinder entwickeln einen weniger differenzierten Wortschatz.

Untersuchungen wie die des Nationalen Bildungspanels (NEPS) sowie weitere Studien (vgl. Steinig, W. Bildungssprache in Elternhaus und Schule. Z Literaturwiss Linguistik 50, 47–70 (2020)) zeigen deutlich, dass es erhebliche Unterschiede in der Sprachentwicklung gibt, abhängig davon, ob Kinder in einem Umfeld aufwachsen, in dem viel mit ihnen gesprochen und interagiert wird, oder nicht. Diese Unterschiede betreffen sowohl den Umfang des Wortschatzes als auch die grammatikalischen Fähigkeiten. Kinder, die in einem sprachlich anregenden Umfeld aufwachsen, verfügen über einen deutlich größeren und differenzierteren Wortschatz als jene, die in einem Umfeld mit weniger sprachlichen Anregungen aufwachsen.

Die Forschungsgruppe um Mary Brushe von der Schule für öffentliche Gesundheit der University of Adelaide untersuchte zwischen Januar 2018 und Dezember 2021 alle sechs Monate die sprachliche Umgebung und Bildschirmzeit von 220 Familien. Mithilfe von Spracherkennungstechnologie erfassten die Wissenschaftler Daten über die häusliche Sprachumgebung und die Bildschirmzeit von Kindern im Alter von 12 bis 36 Monaten an einem durchschnittlichen 16-Stunden-Tag.

Die Auswertung zeigte, dass jede zusätzliche Minute an Bildschirmzeit mit einem Rückgang der Eltern-Kind-Gespräche einherging. Dies hat zur Folge, dass Kinder weniger Worte von Erwachsenen hören, seltener selbst sprechen und weniger an Gesprächen teilnehmen. Die stärksten Rückgänge pro Minute Bildschirmzeit wurden bei 36 Monate alten Kindern beobachtet.

Selbst in Familien, die sich an die aktuellen Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Bildschirmzeit halten – eine Stunde pro Tag für Dreijährige –, könnten den Kindern laut der Studie pro Tag etwa 400 Erwachsenenworte entgehen. Tatsächlich liegt die durchschnittliche Bildschirmzeit in vielen Familien jedoch deutlich höher.

Die Studie ermittelte für dreijährige Kinder eine durchschnittliche Bildschirmzeit von etwa 172 Minuten täglich. Dies führt dazu, dass Kinder im Durchschnitt rund 1.000 Worte weniger pro Tag hören. Ob Kinder, die besonders lange vor Bildschirmen sitzen, tatsächlich einen geringeren Wortschatz oder ein schlechteres Sprachvermögen entwickeln, wurde jedoch nicht untersucht.

„Für die Sprachentwicklung von Kindern in den ersten Lebensjahren ist es entscheidend, in einer sprachlich reichen häuslichen Umgebung aufzuwachsen“, betont das Forschungsteam. Diese Umgebung beeinflusst nicht nur die Sprachentwicklung, sondern auch die Schulfähigkeit und den gesamten weiteren Bildungsverlauf.

Chancen und Risiken digitaler Medien für die Kita-Kinder verstehen

Diese Erkenntnisse lassen sich meiner Meinung nach auch auf Kinder im Kita-Alter übertragen. Daher ist es besonders wichtig, Eltern über die Chancen und Risiken des reinen Konsums digitaler Medien aufzuklären. Wie du Eltern dafür sensibilisieren kannst, erfährst du in unserer Weiterbildung „Fachkraft für digitale Medienbildung in der Kita“.

Diese Weiterbildung ist ZFU-zertifiziert. Wie du Eltern dafür sensibilisieren kannst, erfährst du in unserer Weiterbildung „Fachkraft für digitale Medienbildung in der Kita“. 

Diese Chancen und Risiken gibt es bei der Nutzung von digitalen Medien für die Sprachentwicklung

Ob digitale Medien als Chance oder Risiko für die Sprachentwicklung wirken, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Wie der Bericht der Forscher verdeutlicht, besteht ein Zusammenhang zwischen der Nutzungsdauer und den fehlenden ganzheitlichen Anregungen, die Kinder während dieser Zeit nicht erfahren.

Zudem spielen die Qualität der digitalen Medien, ihre Anpassung an den Entwicklungsstand der Kinder sowie die Art der Nutzung eine entscheidende Rolle. All diese Aspekte beeinflussen verschiedene Sprachbereiche, wie Wortschatz, Aussprache, Grammatik und mehr.

Eine Übersicht über die Chancen und Risiken für die einzelnen Sprachbereiche findest du im Folgenden.

Übersicht: Chancen und Risiken digitaler Medien

Sprachbereich 1

Chancen

Risiken

Wortschatz & Grammatik

Kinder haben Zugang zu einer Vielzahl von Geschichten, Liedern, Reimen, Informationen und interaktiven Inhalten, die ihren Wortschatz erweitern können und neue grammatikalische Strukturen präsentieren.

Die Kinder erleben Sprache oftmals passiv. Das bedeutet, sie hören die Inhalte, es werden ausschließlich die passiven Sprachkompetenzen gestärkt und nicht die aktiven, da Kinder sprachlich nicht aktiv werden. Dadurch werden neue Wörter oder grammatikalische Strukturen nicht nachhaltig erworben und gefestigt

Aussprache

Videos und Hörbücher können Kinder in ihrer Aussprache und ihrem Sprachverständnis unterstützen, indem sie hören, wie Wörter korrekt ausgesprochen und in Sätzen verwendet werden

Wenn Kinder digitale Medien nutzen, ohne selbst zu sprechen, trainieren sie ihre Aussprache nicht aktiv. Zudem motivieren digitale Medien Kinder in der Regel nicht dazu, ihre Aussprache im Dialog anzuwenden – vor allem dann nicht, wenn sie allein vor einem Gerät sitzen.

Im Gegensatz zu einem menschlichen Gesprächspartner, der intuitiv auf die Aussprache eingehen und diese korrigieren könnte, bieten digitale Geräte diese Unterstützung nicht.

Stattdessen gibt es oft lediglich ein allgemeines positives Feedback, etwa in Form von Aussagen wie: „Das hast du gut gemacht. Probiere es gleich noch einmal.“

Dialogfertigkeiten

Wenn Kinder gemeinsam ein digitales Medium oder Kinder mit Erwachsenen ein Medium im Dialog nutzen, dann können sich Kinder in allen Sprachbereichen sprachlich weiter entwickeln

Übermäßige oder alleinige Nutzung digitaler Medien kann die Zeit reduzieren, die Kinder mit Eltern und Gleichaltrigen in persönlichen Gesprächen verbringen, was für die Sprachentwicklung und soziale Entwicklung nachteilig sein kann.

Kinder könnten sich daran gewöhnen, Inhalte passiv zu konsumieren, anstatt aktiv zu sprechen und zu kommunizieren.

Phonologische Bewusstheit

Es gibt Apps, die Kindern Reime oder Anlautübungen anbieten. Die Kinder können so zum Reimen motiviert werden. 

Apps zum Reimen oder für die Anlaute sind nicht immer pädagogische förderlich.

Einige Apps nutzen nicht die Anlaute, sondern die Buchstaben. Wenn sich dieses verinnerlicht hat, dann müssen die Kinder in der Schule sich umorientieren, da Kinder in Form von Lauten Lesen und Schreiben lernen.

Kinder erhalten kein passendes Feedback auf ihre Übungen, da die Apps nur die Nutzung loben, aber (noch) nicht erheben können, ob Antworten richtig sind

So kannst du die Risiken minimieren und Chancen nutzen

Wie gut digitale Medien Kinder in ihrer Bildungsentwicklung anregen und die Sprachentwicklung fördern, hängt von der Qualität des Mediums und der Art der Nutzung ab. Wenn Kinder digitale Medien alleine nutzen, erhalten sie weniger Sprachanregungen von anderen Menschen, wie die Studie bereits gezeigt hat.

Nutzen Kinder in Kitas digitale Medien ausschließlich passiv, erhöht sich die Zeit, in der sie ihre aktive Sprache nicht einsetzen. Dies ist auch der Grund, warum viele Eltern und Fachkräfte Bedenken haben, digitale Medien in den Kita-Alltag zu integrieren. Zu Recht, denn dies entspricht nicht einer echten digitalen Medienbildung und auch nicht dem Bildungsauftrag einer Kita.

Wichtig:

Es gibt viele digitale Medien, die versprechen, die Sprachentwicklung der Kinder zu fördern. Häufig ist dies jedoch nicht der Fall, da die Kinder eher passive Sprachanregungen erhalten, ohne selbst sprachlich aktiv zu werden. Sie konsumieren lediglich digitale Inhalte.

Digitale Medienbildung bedeutet, digitale Medien aktiv zu nutzen, um damit eigene Produkte zu erstellen. Nicht das Medium steht im Fokus, sondern das Werk, das damit erschaffen wird. Auf diese Weise nutzt man die Chancen und reduziert die Risiken. Ein Beispiel hierfür wäre, gemeinsam mit den Kindern einen Film, ein Hörspiel, ein Bilderbuch oder eine Bildungsdokumentation zu erstellen.

Nachfolgend findest du eine Anregung, wie du mit Kindern Anlaute entdecken und üben kannst, während du dies mit der digitalen Medienbildung verbindest.

So nutzt du digitale Medien, um mit Kindern Anlaute zu üben

Sprich mit den Kindern über Anlaute, wie zum Beispiel den Laut "A". Wenn die Kinder das Prinzip verstanden haben, macht ihr euch mit dem Tablet in der Kita auf die Suche nach Dingen, die mit dem Laut "A" beginnen, wie zum Beispiel ein Apfel, ein Affe oder eine Ananas. Fotografiert alle entdeckten Dinge.

Setzt euch anschließend mit den Kindern zusammen, betrachtet die Fotos und sprecht nochmals über die Anlaute. Sortiert alle Fotos aus, die Gegenstände zeigen, die nicht mit dem Anlaut beginnen.

Gestaltet aus den Fotos ein digitales Anlautbuch. Erstelle eine Seite für jedes Foto, schreibe das Wort unter das Bild. Durch die Verbindung von Foto und Schrift schaffst du wichtige Literacy-Anreize für die Kinder. Sprecht über die Sprachfunktion des Namens des Gegenstandes und des Anlautes. Gestaltet zu jedem Foto eine eigene Seite. So fördern die Kinder ihre aktiven Sprachkompetenzen und insbesondere ihre phonologische Bewusstheit. Sie entwickeln damit wichtige Vorläuferkompetenzen für das spätere Lesen und Schreiben in der Schule.

Viele weitere Ideen, wie du digitale Medien und Tools in allen Bildungsbereichen – wie der Sprachbildung, Naturbildung, mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung, Bewegungs- und Gesundheitsförderung sowie Ästhetik und Kreativität – gezielt einsetzen kannst, lernst du in unserer Weiterbildung „Fachkraft für digitale Medienbildung in der Kita“.

Diese Weiterbildung ist ZFU-zertifiziert. >> Erfahre hier mehr über die Inhalte!

Ja, dafür braucht es Zeit. Aber brauchen wir nicht auch für andere Bildungsangebote wie Basteln, Malen oder Bewegungsangebote Zeit?

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Falls du eine klassische Rechnung oder Teamzugriff brauchst, dann schreibe uns gerne eine E-Mail an info@praxis-kita.de.


Quellenangaben:

  • Studie: Screen Time and Parent-Child Talk When Children Are Aged 12 to 36 Months in https://www.thekids.org.au/our-research/reports-and-findings/2024/march-2024/screen-time-and-parent-child-talk-when-children-ar/ 
  • Steinig, W. Bildungssprache in Elternhaus und Schule. Z Literaturwiss Linguistik 50, 47–70 (2020). https://doi.org/10.1007/s41244-020-00161-4
  • https://www.diw.de/de/diw_01.c.619383.de/publikationen/wochenberichte/2019_16_3/sprachkompetenz_von_kindern__unterschied_nach_bildung_der_eltern_im_unteren_leistungsbereich_besonders_gross.html

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